Freitag, 12. März 2010

Hunger oder Was man so sagt. Theaterstück von Klaus Peter Buchheit

Hunger

oder

Was man so sagt

Theaterstück in 5 Szenen

von

Klaus Peter Buchheit

If I’ve killed one man, I’ve killed two –

The vampire who said he was you

And drank my blood for a year,

Seven years, if you want to know.

Daddy, you can lie back now.

Sylvia Plath


Hunger oder Was man so sagt. Theaterstück © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )



Personen

Personen:

V1 (Frau)

V2 (Mann)

Szene 1: 1. Tag. Frühstück

Szene 1: 1. Tag. Frühstück

V1/V2 sitzen am Frühstückstisch.

Auf dem Tisch stehen Teller mit Käse und Wurst, eine Schüssel mit Obst- und Gemüseschnitze. Der Tisch ist, wie man so sagt, schön gedeckt. Blumen, Servietten, schöne Teller u. elegantes Besteck. Auf den Tellern nett arrangierte Brotschreiben, Lachsstreifen, Dill u. Petersiliebüschel. Neben den Teller jeweils ein gekochtes Ei in einem Vintage-Eierbecher. Die Kücheneinrichtung als Fototapete. Es läuft leise Jazz-Musik.

Zwei Handys liegen auf dem Tisch.

Neben dem Tisch hängt von der Decke herab eine Plüschkatze.

V1 ist hochschwanger.

V2:

Wir haben es doch gut.

V1:

Ja, wir haben es gut.

V2:

Wie schön der Tisch gedeckt ist.

V1:

Ja, der Tisch ist schön gedeckt.

V2:

Greif zu.

V1:

Ich greife ja zu.

(schiebt den Teller von sich weg)

(Ein Handy klingelt)

V2:

Deins.

V1:

Nein, deins.

(V2 schaut auf das Display, nimmt das Gespräch mit einem lauten und übertrieben freundlichen „hallo“ an u. geht hinter die Fototapete. Man hört ihn telefonieren, versteht aber nicht, was er sagt.)

(V1 spielt mit einer Scheibe Wurst. Riecht daran. Ekelt sich. Hält sie der Katze hin. Schlägt damit auf ihr Gesicht ein.)

V1:

Scheißkatze!

Du hast wenigstens einen Beweis deiner Abhängigkeit. Du hängst von der Decke u. du kannst nicht anders.

(lacht)

Aber du wirst enden, wie sie alle enden.

Du wirst uns nicht entkommen.

Deine Leine war teuer, warum sagst du nicht danke schön. Danke schön liebes Frauchen. Danke schön liebes Herrchen.

(schlägt ihr wieder mit der Wurstscheibe ins Gesicht).

Nur das Ding in mir soll nicht enden.

Warum muss es einen Anfang haben?

Warum kann es nicht einfach nicht sein?

U. warum nimmt es mich nicht mit, dahin, wo nichts ist?

Wo all das hier nicht ist?

(V2 kommt zurück)

V2:

Hab ich dir schon gesagt, wie schön der Tisch ist?

Wie schön du bist?

Merkst du’s schon, dass es kommt?

Endlich kommt?

Dein Geschenk.

Was für ein Geschenk.

Mein Geschenk.

Iss doch, du brauchst Kraft.

Der Arzt sagte, der Termin sei jetzt.

Ist es endlich soweit?

V1:

(versucht zu lächeln)

Setz dich doch u. iss du. Das beruhigt. Männer sind immer so nervös. Männer haben immer kalte Füße, die dann aber seltsamerweise schwitzen u. stinken.

Setz dich u. iss.

Iss das hier.

V2:

(versucht seinen Zorn runterzuschlucken)

(will was sagen, aber er bewegt nur den Mund)

Stille

V2:

Je mehr wir wir selbst werden, desto besser können wir unsere Rollen spielen, aus denen wir eh nicht heraus kommen.

Stille

Es gibt die, die schnell u. schmerzlos töten, u. die, die dich bei lebendigem Leib unendlich quälen. Egal in welcher Situation. Auch im Glück.

Wozu gehören wir?

V1:

Iss.

Iss einfach.

Iss u. sei still.

V2:

(schneidet eine Grimasse)

Ich sage dir,

Frauen haben je u. je nach dem Retter u. Drachentöter gerufen.

Aber wenn er dann da ist,

klagen sie darüber, dass er ein ungehobeltes Raubein ist

u. dass er, beraubt seiner Aufgabe des Rettens u. Drachentötens,

anderen Süchten verfällt;

dass er sich quasi künstliche Opfer u. Drachen sucht;

dass er zu seinem eigenen Opfer u. Drachen wird.

Also gibt es nur einen einzigen Ausweg:

dass wir uns unserem eigenen Mythos von der Frau hingeben;

dass wir die mythische u. legendäre Frau suchen u. heimbringen.

So habe ich es getan u. mein Spiegelbild heimgebracht.

U. es funktioniert, ja, es funktioniert,

wenn wir beide nie von unserer Blindheit geheilt werden;

wenn wir uns permanent missverstehen u. in unserer Mythe oder Legende

auf ewig verharren.

Das ist der Schlüssel dazu.

Verstehst du das denn nicht?

V1:

(wischt das Gesagte mit einer Geste weg)

Halt einfach den Mund.

V2:

(äfft sie nach)

Du verstehst mich nicht.

V1:

Heul doch.

Iss endlich

V2:

(streichelt die Katze, hält ihr eine Wurstscheibe hin)

Iss mein Liebling.

Damit du rund u. lebendig wirst.

Na, dudududu.

Deideidei.

Schnuckiputzi.

Daddy’s Liebling.

(Das Handy klingelt)

(V1 nimmt es hektisch, als sei es in Gefahr, schützt es mit beiden Armen u. rennt hinter die Tapete. Man hört Geräusche, von denen man nicht weiß, bedeuten sie lachen oder weinen)

(V2 spielt mit dem gekochten Ei;

er bohrt oben u. unten jeweils ein Loch hinein; legt es auf seinen Teller; geht zur Katze, streichelt sie, würgt sie, drückt ihr einen Kuss auf, würgt sie wieder, schlägt sie, dass sie quer über den Tisch pendelt. Als er hört, dass V1 zurück kommt, fängt er sie wieder u. hält sie wie ein Kind im Arm. V1 sieht es. V2 setzt sich.)

V2:

Alles klar? War es deine Schwester.

V1:

Nein. Falsch verbunden.

V2:

Aha.

Du immer u. deine falsche Verbundenheiten.

V1:

(lächelt gequält)

Iss dein Ei, sonst wird es kalt. Es ist weich, wie du es wolltest.

Nahezu roh.

Nahezu blutig.

(lacht)

V2:

(macht eine Geste, dass sie schweigen soll)

Wie schön das Fell der Katze glänzt.

Wie Haut im Mondlicht.

(V2 nimmt das Ei u. bläst den Inhalt V1 ins Gesicht, die regungslos bleibt)

V2:

Du solltest dich freuen.

Du wehrst dich.

Du bist nicht normal.

Das Kind wird sich freuen. Es wird eine Freude sein.

Es wird anders sein.

Normal.

Es wird nicht sein wie du.

Ich habe Hunger.

(V1 steht langsam auf, wischt sich die Schlonze aus dem Gesicht, geht zur Katze u. zerbeißt sie. Saugt an der Wunde.)

V1:

Iss das.

Nichts wird sich ändern.

Ich hätte das alles nicht gebraucht.

Es ist erbärmlich.

V2:

Was du nicht sagst.

(Bleibt sitzen)

Wisch dir den Mund sauber.

Was soll das Kind von uns denken?

Alles ist gut.

V1:

Nichts wird es denken.

V2:

Was du nicht sagst.

(Stellt das ausgeblasene Ei wieder schön ordentlich in den Eierbecher. Rückt alles auf dem Tisch zurecht)

V1:

Was man nicht alles so sagt.

(V1 setzt sich wieder. Beide starren sich an u. bleiben regungslos.)

V2:

Der Tag ist so lang.

V1:

Das Leben ist so lang.

V2:

Ja, das Leben.

V1:

Das Leben.

Stille.

(Das Blut der Katze tropft auf den Boden)

Licht aus.

Szene 2: 1. Tag. Mittagessen

Szene 2: 1. Tag. Mittagessen

Esszimmer. Ein gedeckter Tisch. Hintere Wand eine Fototapete, auf der Fenster mit Sonnenuntergängen über Bergen abgebildet sind. Links u. rechts Kommoden u. ein Laptop aus Pappmaché. Vor dem Laptop ein Stuhl. Ein Aquarium mit Fischen.

Auf dem Tisch wieder Blumen. Zwei Grillhähnchen auf Silbertablett. Zwei Schüssel mit Salat. Eine Glasschüssel mit Pellkartoffeln. V1 u. V2 sitzen am Tisch. Vor ihnen jeweils ein Teller u. ein Glas Rotwein. Leise läuft Volksmusik.

V1 u. V2 schweigen.

Sie sind nahezu regungslos.

V1 stochert mit der Gabel im Salat rum.

V2 springt auf u. geht an den Laptop.

V1:

Das nervt.

V2:

Lass mich.

(V1 u. V2 schweigen. V2 tippt etwas in den PC.

V2 grunzt.)

V1:

Lass sehen.

(V2 klappt panisch den Laptop zu u. geht zurück an den Tisch.)

V2:

Da sagt einer, man dürfe keine Spinnen töten. Darauf müssen wir anstoßen.

(V2 greift nach dem Glas, stößt es aber um.)

V2:

Scheiße.

V1:

Der gute Wein.

(V2 ignoriert das Missgeschick.)

V2:

Man dürfe keine Spinnen töten. Haben die keine anderen Sorgen.

(zu V1)

Du bist überfällig.

V1:

Ich bin nichts. Ich bin höchstens fett. Dick wie ein aufgeblähter Kadaver im Wasser.

V2:

Das ist das Leben.

V1:

Das du nehmen willst.

(V2 nimmt ein Hähnchen, bricht es auf, legt einen Teil wieder auf das Silbertablett u. spielt mit dem anderen. Er reißt Fleischstücke von den Knochen u. wirft sie ins Aquarium.)

V2:

Wertlos. Sie färben nicht einmal das Wasser.

Da ist kein Leben drin. Aber in dir ist Leben. Mein Leben. Leben von meinem Leben. Der Beweis von meinem Leben. Der Beweis für mein Leben. Der Beweis für meine normale Existenz.

V1:

Quod erat demonstrantum.

(V1 nimmt eine Kartoffel u. zerquetscht sie mit einer Hand)

(V2 geht wieder an den Laptop. V1 verrenkt sich, um zu sehen, was er sich ansieht. Er versucht den Bildschirm mit seinem Körper abzuschirmen.)

V2:

Paare funktionieren nur, wenn sie einander ihre Geheimnisse lassen.

(V2 grunzt wieder)

V1:

Ich muss mal.

(V1 verlässt den Raum. V2 scheint geradezu den Bildschirm abzuschlecken)

V2:

Es wird nicht sein wie ich. Es wird somit die Vollendung sein.

Sein Schicksal soll in meiner Hand liegen.

Ich will das alles auch.

(V1 kommt zurück. V2 starrt sie kurz aber intensiv an.)

V1:

Gib dir keine Mühe. Du hast den Blick nicht. Ein Ammenmärchen.

V2:

Dein Lippenstift ist verschmiert.

(V1 wischt sich schnell den Mund sauber.)

V2:

Du bist überzählig.

Hast du den Arzt angerufen?

V1:

Nein.

Er sagte schon vor Monaten, dass es ein Fehler gewesen wäre.

Ich werde daran sterben.

V2:

So schnell stirbt es sich nicht.

V1:

Dir wäre es doch recht. Ein Zeuge weniger.

V2:

Du musst essen.

(V1 nimmt das zweite Hähnchen u. stopft Pellkartoffel hinein. Sie geht zu V2, hält das Hähnchen über seinen Kopf u. zermalmt es mit ihren Händen. Die zerquetschten Kartoffeln fallen auf V2s Kopf. Er schmiert sich den Brei in die Haare.)

(Beide schweigen.)

(V1 wirft den Rest des Hähnchens ins Aquarium.)

V1:

Wer sind wir?

Was sind wir nur?

V2:

Das weißt du genau.

Immer wehrst du dich dagegen.

(V1 öffnet unvermittelt den Laptop. Anstelle des Bildschirms klebt dort ein blutverschmiertes Bild.)

V1 (lacht):

Hast du Spinnen erschlagen.

V2:

Ich halte das nicht mehr aus.

Du bist eine Qual.

Alles ist eine Qual.

(V1 geht zum Aquarium, fängt einen Fisch. Sie geht zurück zu V2, hält den Fisch über ihn u. dreht dem Fisch den Kopf ab. V2 starrt nach oben u. saugt den Fisch aus, spuckt aber alles wieder aus.)

V2:

Ersatz.

Immer nur Ersatz.

Surrogate.

V1:

Schweig still.

Du wolltest es so.

Du wolltest dieses Leben.

Mit all dem da (zeigt den Raum).

Mit dem da (zeigt auf ihren Bauch)

Du wolltest.

Immer willst du.

Bis nichts mehr übrig ist.

Oder bis nur noch das da übrig ist (wirft die Fischreste zurück ins Aquarium).

V2:

Typisch Frau.

Du verweigerst dich.

V1:

Du verweigerst dich.

Du wolltest nicht mehr.

Du saßest nur noch am Rechner u. grunztest wie ein Schwein.

V2:

Ich war leise.

U. in der Nacht, da verließest du das Haus.

Glaubst du, ich habe es nicht bemerkt.

Glaubst du, ich habe es nicht gesehen.

Ich stand am Fenster u. sah, wie du in die Nacht ranntest, die Gier im Nacken

u. die Gier im Blick.

V1:

Du bist so schwach.

(sie streicht ihm den Kartoffelbrei aus den Haaren)

Du Armer, du.

(V2 zuckt, als wolle er sie schlagen, beherrscht sich aber.

Er geht zurück an den Tisch u. setzt sich. V1 bleibt regungslos stehen, wischt sich dann die Hände an ihrem Kleid sauber u. setzt sich auch zurück an den Tisch.

Sie nimmt ihr Glas Rotwein u. schüttet es sich in den Schoß.)

V2:

Hahaha.

Verscheißern kann ich mich selber.

V1:

Es wird nicht geschehen. Es wird nicht kommen. Ich werde es nicht in diese Welt lassen, in deine Welt. Nicht noch einmal.

Nicht noch einmal das.

Wir hätten ausgehen können. Du hättest anstelle dieses Dings da etwas Schönes geben können.

Rubine. Oder Kleider. Kleider für die Nacht. Kleider für meine makellose weiße Haut.

Für meinen schlanken Körper.

(V2 sieht sie verächtlich an.)

V2:

Du hast keine Tiefe. Keinen Geist. Du bist zu mager.

(V1 steht auf, geht zum Laptop, reißt das blutverschmierte Bild heraus u. schlägt es V2 ins Gesicht. Zerreißt es u. wirft die Schnipsel auf den Boden.)

V1:

Ist das Tiefe?

Ist es Tiefe, was du mit den anderen gemacht hast?

Ist das Tiefe?

Tief ist nur das Nichts in dir, das du mit Leben stopfen willst.

Mit meinem Leben.

Ich wollte, ich hätte keins mehr.

Der Arzt sagte, diesmal werde ich es nicht schaffen.

Diesmal nicht.

Das ist dann mein Geschenk.

(Streicht sich über den Bauch)

Unser Geschenk.

V2 (als wäre nichts passiert):

Ich habe Hunger.

(V2 kriecht auf dem Boden umher u. sammelt die Schnipsel auf.)

V2:

Mein Baby.

(V2 geht zum Laptop. Drückt Tasten.)

Meine Babys. Mein ein u. alles.

Stille

Es geschieht, was geschieht. Der Herr nimmt u. der Herr gibt.

Ich habe gegeben u. ich werde nehmen.

(V1 schiebt mit dem Arm alles vom Tisch auf den Boden.)

V1:

Hier nimm.

(V2 starrt in den Rechner u. beginnt wieder zu grunzen.)

(V1 lacht leise u. hysterisch.)

(V1 überblickt den leeren Tisch. Wischt ihn mit ihrem Ärmel sauber.)

V1:

Alles in bester Ordnung.

Schreib dem Spinnenrettermensch, er sei ein Idiot.

V2:

Ja, Frau.

U. jetzt schone dich.

Wir brauchen Ruhe.

Soll ich den Arzt rufen.

V1:

Nein.

Es ist alles in Ordnung.

Wie gesagt.

In bester Ordnung.

Halten wir Mittagsruhe.

(V1 legt den Kopf auf den Tisch.

V2 grunzt leise in den Laptop hinein.

Die Musik verstummt.)

Langsamer Einzug des Lichts.

Szene 3: 1. Tag. Abendessen.

3. Szene: 1. Tag. Abendessen.

Wintergarten. Die Sonne ist bereits untergegangen. Auf dem Tisch verschiedene Tellerchen mit Sellerie-, Karotten-, Paprikajulienne. Schüsselchen mit Dips. Neben V1 ein Schuhkarton. Neben V2 eine Pistole. Beide spielen mit einem kleinen Laptop. Das Fenster des Wintergartens ist geöffnet. Davor ein Baum. Auf den Ästen Vögel.

V1:

Iss doch!

V2:

Keinen Hunger.

V1:

Den ganzen Nachmittag hast du dir diesen Scheiß im Netz angeschaut.

Die Bilder.

Das Blut.

V2:

Recherchiert habe ich.

V1:

Wer’s glaubt.

Wenn du mich so ansehen würdest, wie diese Bilder.

V2:

Dann würdest du rennen.

Du willst doch nicht, dass …

V1:

Iss endlich.

Der Mensch muss essen.

V2:

Ja, der Mensch.

Mach das Ding aus.

Menschen erschießen, dass sie platzen.

V1:

Da ist kein Blut. Das ist Spiel.

Es beruhigt mich.

Ich ertrage dich.

Ertrage das.

V2:

Du träumst.

Du lebst einen Alptraum.

Du bist der Alptraum.

Denk an das Kind.

Du willst es benutzen.

Aber es gehört mir.

Du willst es mir nehmen.

Du willst dich mir entziehen.

Ihr wollt gehen.

Ihr wollt zerplatzen.

Dein Alptraum, dein Wunsch, dein Ziel:

dich aufzulösen,

ohne eine Blutspur zu lassen.

Mir nichts zu lassen.

Kein Zeichen.

Dabei weiß ich nicht, ob es dich überhaupt gibt.

Ich muss mich beruhigen.

(V1 sieht sich auf seinem Laptop ein Entspannungsprogramm an. Aber er macht die Übungen nicht mit).

Kreise.

Mandalas.

Wie Spinnennetze.

Wie Netze für mein Kind.

Sicherheit.

Zukunft.

Ich.

Doch du.

V1:

Iss doch.

(V1 nimmt etwas aus dem Karton u. steckt es sich schnell in den Mund, kaut darauf herum, spuckt es wieder aus.)

V2:

Du bist widerlich.

V1:

Das ist nur Konfekt.

V2:

Du frisst Schaben.

Du bist so schwach. Noch nicht mal deine Verweigerung kannst du durchhalten.

Du wirst ein riesiges, blutleeres Insekt gebären. Eine nervöse Schabe, einen zittrigen, ekligen Vielfüßler, auf dem du davon reiten willst.

V1:

Idiot.

Entspann dich.

Iss was.

Alles wird gut werden.

(wieder stopft sie sich etwas aus der Schachtel in den Mund)

(V2 nimmt die Pistole u. schießt einen Vogel vom Ast. Der Vogel zerplatzt. V1 ignoriert es.)

V1:

Das

Das Ding

Das Ding da

in mir

es saugt mich jetzt schon leer.

Ich bin so leer.

U. so voll, so aufgedunsen, aufgeblasen.

So vor dem Zerplatzen.

Ich kann nicht essen

(spuckt das Etwas aus der Schachtel aus)

kann nicht trinken.

Sehe nur dich.

Dein Warten.

Dein Stieren auf die Bilder, wie du mich nicht mehr anstierst.

Als du anstiertest, hast du mir das da

das Ding gemacht.

Es wird mich töten.

Es wird tot sein.

Das hast du davon.

Nur weil ich dir gehorche.

Deine Frau.

Dein Weib.

Deine Subalterne.

Iss endlich.

(V2 nimmt eine Julienne, riecht daran, wirft sie dann aus dem Fenster u. schießt einen weiteren Vogel vom Baum.

V1 will freudig aufschreien, unterdrückt es aber.)

V2:

Du wolltest mich nie.

Du willst was anderes sein.

Was Besseres.

Wer glaubst du, dass du bist?

Hä?

Wer glaubst du, bist du?

Dumme Gans.

Du träumst.

Du träumst vom Leben u. tötest doch.

Dich.

Es.

Mich.

Früher ging ich aus.

Jetzt sitze ich hier.

V1:

Du wolltest doch …

V2:

Sei still, dumme Gans.

V1:

Ich dachte einst,

ich kriege alles aus Büchern.

Lesen.

Aus dem Internet.

Surfen.

Die ganze Nacht.

Dann anwenden.

Leben leben, wie es geschrieben steht.

Die Bilder. Die Filme.

Geht nicht.

Oder die Leute durchschauen.

Ich durchschaue jeden.

(V2 lacht in seine Mandalas hinein)

(V1 beachtet ihn nicht, schießt dafür umso heftiger in ihrem Spiel; steckt sich was aus der Kiste in den Mund, spukt es aus)

Aber wenn sie was Gutes wollen,

kriege ich es nicht mit.

Bin ich stumm u. dumm.

(hält einen Augenblick mit dem Spielen inne, dann weiter; will etwas aus der Kiste holen, lässt es dann aber bleiben)

Wenn sie was Böses wollen,

schon eher.

Da springt die Fantasie an.

Falls ich es merke.

Falls es sich nicht als etwas Gutes tarnt

wie zumeist.

Scheißdreck.

Aber wenn einer angreift, ja dann,

Chance, meine Chance, Sechser im Lotto,

ich springe an,

dort oben (zeigt auf den Kopf)

dort unten (zeigt zwischen ihre Beine)

Ich liege stetig auf der Lauer

vor mir selbst.

Nichts lässt sich anwenden.

Alles wird schon gegen mich verwendet.

Wie dieses Scheiß Selbstmitleid der Wahrheit.

Das muss aufhören.

Einfach enden.

U. das in mir,

es darf nicht anfangen,

überhaupt nicht erst beginnen.

Ich gebäre nur Selbstmitleid.

(lacht)

U. wenn die Gefühle kommen

u. das insgeheime Eingeständnis,

dass ich jemanden brauche,

treibt mich das in die Zwangslage,

jemanden gebrauchen zu wollen.

Von Anfang an.

Von Beginn an

ist alles schon verfahren u. verzwickt.

Der Anfang muss enden.

Das Ende hätte nie beginnen dürfen.

Es begann im Anfang.

Im Grunde,

ja,

im Grunde

(sie schießt wieder heftiger, lacht)

bin ich eine

Liebesattentäterin.

V2:

(ironisch)

Was sagst du, Schatz?

(ironisiert gestisch seine Entspannungsübungen)

V1:

Hättest du nicht das andere Kind …

V2:

Sei still.

Das bildest du dir ein.

Es gab kein anderes Kind.

Komm, schieß ein paar Animierte über den Haufen, das wird dich beruhigen.

Eskapistin.

V1:

Klugscheißer

(steckt sich wieder etwas aus der Schachtel in den Mund)

V2:

Es wird die Vollendung sein.

Du wirst es zur Welt bringen.

Es hätte heute schon so weit sein sollen.

Du verweigerst dich.

Du wirst es töten.

V1:

Du wirst es töten.

(V2 wird wütend u. will sich auf V1 stürzen, fasst sich aber wieder u. bleibt angespannt ruhig)

V2:

Ich werde es lieben.

Ich werde es innig lieben.

V1:

Innwendig meinst du wohl.

Du lebst nicht.

V2:

Du lebst nicht.

V1:

Aber du.

Kälter u. brutaler als der Tod.

V2:

Papperlapapp.

Ich weiß mich zu beherrschen.

Du u. deine Ausbrüche.

Du bist wahnsinnig.

Lebensfremd.

Leblos.

Aber es wird ein Leben haben.

U. das wird es mir dann auch geben.

Es wird meins sein. Für mich von mir.

(schießt einen weiteren Vogel vom Baum. V1 springt auf, will hinaus, kehrt wieder um u. setzt sich scheinheilig hin)

V1:

Es wird dich fressen. Wie es mich schon jetzt frisst. Wie es eine immer größere Leere in mich frisst u. ich von der Leere ganz fett werde und ganz hohl. Du siehst mich nicht. Du siehst nicht, wer ich bin, wie ich bin, was ich bin. Du siehst nur deine Bilder.

V2:

Du bist wie ich.

Du bist ein Spiegelbild von mir.

Wie ich, nur ein bisschen verkehrt.

Oder sagen wir: ganz verkehrt.

Verrückt.

V1:

Du bist verrückt.

Es wird sein wie du.

Das darf nicht sein.

Es darf nicht sein.

Ich darf nicht sein.

Vielleicht hast du Recht.

Vielleicht bin ich wie du, nur verkehrt.

Du hast mich dazu gemacht.

Du hast mir was vorgespiegelt.

U. ich bin darauf hereingefallen.

In die Falle, aus der es kein Entkommen mehr gibt.

Gefangen. U. du bist das Gefängnis.

Ich wurde als dein Spiegelbild zu meinem Gefängnis.

U. das da in mir,

es wird mir helfen

auszubrechen.

Es wird sein wie du.

Der Kreis schließt sich.

Wie in deinen Kreisen u. Mandalas,

deiner Scheißberuhigungsselbstverarsche,

du brachtest mich hinein.

Du brachtest das Untote über mich.

Es bringt mich hinaus.

Es schenkt mir das Unlebendige.

Den Traum.

Das Glück.

Das ewige Vergessen.

Dass es dich gibt.

(V1 stopft sich eine Handvoll Schaben aus der Kiste in den Mund u. spuckt sie wieder aus)

Dass es dich gibt.

(V2 schaut auf seinen Rechner.

V2 nimmt die Pistole u. zielt auf den Bauch von V1.

V2 schießt einen weiteren Vogel aus dem Baum.)

V2:

Was du nicht alles so sagst.

Was man nicht alles so sagt.

Du redest dummes Zeug.

Morgen früh rufen wir den Arzt.

Dann wird das schon werden.

Nicht wahr.

Alles ist in bester Ordnung.

Das sind die Nerven.

Du bist nervös.

Das ist alles.

Frauen.

Euch hätte man die Geburt nie überlassen dürfen.

Könnt ich mir nur selbst meine Kinder schenken.

Süße rosige Mädels.

(V1 zerschlägt den Rechner auf dem Tisch.

V2 schaut sie hasserfüllt an. Aber voller Gier.

V1 duckt sich. Greift in die Kiste u. bietet ihm eine Schabe an. V2 schlägt sie ihr aus der Hand. Nimmt die Pistole u. schießt einen weiteren Vogel vom Baum.)

V2:

Wir dürfen das …

V1:

… nicht …

V2:

… tun.

Das sind die Nerven.

V1:

Das bist du.

V2 (geht raus u. kommt mit einem Vogelkadaver zurück):

Das bist du.

V1 (reißt ihm den Kadaver aus den Händen):

Hättest du wohl gern.

(saugt an dem Kadaver)

ah,

aaaah.

ahh, ist das widerlich.

Das ist es in mir.

(saugend)

Wir dürfen das nicht.

V2 (auf V1 starrend):

Alles wird gut.

V1 (monoton-träumerisch):

Alles wird gut.

(V1 spielt wieder ihr Computerspiel, jetzt mit Ton, dass man das Ballern hört. V2 starrt auf sein Meditationsprogramm. Die Stimme aus dem Rechner wird immer lauter, sie sagt stets den gleichen Satz:)

Sie sind ganz leer.

Licht abrupt aus.